Das Eldorado der Lichtmalerei: Dampfende Erdspalten, Nordlichter, Wasserfälle und Gletscher. Das Schicksal meint es gut mit uns. Zwei wunderschöne Reiseziele innerhalb eines Jahres! Die letzten Tage der Korsikareise sind noch nicht veröffentlicht und doch geht's schon im Norden weiter. Kontrastprogramm. Die Ankunft meint es auch gut mit mir. Mit leichten Abzügen in der B-Note. Eine Reise, die um ein Rollerderbyspiel herum geplant ist. Weil es nicht besser ging, fliege ich eine Woche voraus und mache mich mit der Insel bekannt. Und das sind die ersten Eindrücke.
Die Wolken reflektieren grell das Licht, als ich aus dem Fenster schaue. Zwischen ihnen blitzt immer wieder die dunkle Fläche des Nordatlantiks durch. Es heben sich kleine, weiße Streifen ab, die im sanften Rhythmus auftauchen und wieder verschwinden. Als würde der Ozean entspannt atmen. Sicherlich unterschätze ich den Wellengang gerade aus zehn Kilometern Höhe. Der Captain sagt an, dass wir in 15 Minuten in den Sinkflug gehen. Je näher wir Island kommen, desto klarer scheint der Himmel. Man erkennt nun die Küste. Ganz im Gegensatz zur dänischen Küste vor einigen Stunden ist sie schwarz. Nur die Brandung, eine schmale, weiße Kontur, trennt ihn vom Blau des Atlantiks. Links daneben fließt ein Gletscher in einen See. Es ist der Jökulsárlón, den nur der Diamond Beach, der Diamantstrand, von der schmalen, weißen Brandungslinie trennt. Eines der Highlights der Südküste. Das Wetter ist perfekt, die ganze Landmasse glänzt golden in der Nachmittagssonne. Die schroffen Konturen werfen kontrastreiche, lange Schatten. Wo sich die großen, weißen Schneeflächen über die Berge legen, verschwinden die Konturen - alles ist geglättet und wirkt weich. Zehn Minuten später sinken wir merklich. Rechts von uns erscheint Reykjavik. Die Hallgrimskirkja hebt sich dominant aus dem Stadtkern. Im Hintergrund die großen Tanks des Hafens. Das Licht ist mittlerweile weich, getrübt und staubig im Sinkflug auf die Halbinsel Reykjanesskagi. Hier und da dampft es aus dem aktiven Boden der jungen Insel. Ein Anflug wie auf einen anderen Planeten.
Wir sind fast drei Stunden verspätet abgeflogen und haben sie nicht wieder aufholen können. Diese Zeit fehlt jetzt schmerzlich. Nicht nur hatte unser Flieger auf dem Hinweg nach Berlin schon Verspätung wegen schlechten Wetters, auch Berlin selbst war ein bisschen Schuld. Als wir bereits im Flieger saßen und die Crew hektisch das letzte Handgepäck einsortierte, folgte die Durchsage, dass man das Gepäck der vorausgehenden Fluggäste noch nicht einmal entladen hätte. Die Flugzeugcrew hat sich sogar selbst angeboten, das Gepäck zu entladen. Das scheiterte allerdings am fehlenden Gerät. Hier läuft nun alles ein ganzes Stück reibungsloser. Bevor wir den Flieger überhaupt verlassen, werden die ersten Koffer bereits entladen. Eine halbe Stunde später stehe ich trotzdem mit einigen wenigen Fluggästen ratlos am Gepäckband. "Gepäck vollständig entladen", steht da auf Englisch am Bildschirm. Nachschub scheint keiner mehr zu kommen. Schließlich dann der Hinweis von einem Fluggast, dass "odd-sized" Gepäck einige Meter weiter weggestapelt wurde: Also, Wanderrucksäcke zählen hier als unförmig und findet man zwischen den mittleren beiden Bändern! In der Ankunftshalle ein Gewusel. Viele Schilder werden hochgehalten, man muss sich ein wenig sortieren. Eine halbe Stunde später trudelt auch mein Autovermietungsvertreter ein. Aus jeder Reisegruppe darf eine Person zum Vermieter mitfahren, wir sind zu viele. Die zurückgelassenen Partner sollen nachher mit dem Fahrzeug wieder eigenständig abgeholt werden. Eigentlich geht alles reibungslos über die Bühne und wieder eine halbe Stunde später bin ich auf der Straße und auf dem Weg in den nächsten Supermarkt: Kekse, Äpfel, Brot, Wasser für den ersten Stopp. Die Supermärkte schließen um 20 Uhr, die Sonne steht schon sehr tief, es sind noch 160 Kilometer bis zur ersten Unterkunft. Ich wollte schon seit über zwei Stunden auf der Straße in den Lavafeldern sein.
Ich habe den Eindruck, der Dacia Duster wäre ein Marsrover, so unwirklich erscheint die Landschaft in der untergehenden Sonne. In der Ferne kündigt sich das dampfende Gelände der Blauen Lagune an. Es riecht nach Schwefel. Anhalten kann man hier auf der Schnellstraße leider nirgends. Immerhin läuft bereits die Zeitrafferaufnahme auf der Motorhaube. In Grindavik biege ich scharf links auf die 427. Der lange Tag im Nacken und das innige Bedürfnis, einmal kurz anzuhalten, liefern sich ein Gefecht, während die Sonne beginnt unterzugehen. Ich halte auf einem Parkplatz und halte den Moment fest. Mehr als Schnappschüsse werden es heute nicht werden. Und eigentlich ist das voll okay. Einige Kilometer weiter strahlt mir die einsame Kirche von Strandakirkja in der blauen Stunde entgegen. Ein kleiner Umweg sollte doch drin sein!
Dann wird's aber auch schnell duster. Von der Landschaft sieht man schnell nichts mehr. Es bleiben nur die hellen Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge und der Blick auf den Tachometer. 90-70-50, immer schön im Wechsel. Selfoss, Hella, dann irgendwann links und nur noch zehn Minuten. Gerädert, aber absolut glücklich angekommen. Vielleicht gelingt es mir ja, noch eine Nacht hier im "Chalet" dranzuhängen. Es ist ein kleines, voll ausgestattetes "Gartenhäuschen". Die Nacht ist sternenklar und meine Aurora-App brummt permanent. Die Hoffnung war, noch etwas zu sehen.