Gut ausgeschlafen bricht unser fünfter Tag in Georgien an. Heute stehen die touristischen Eckpunkte der georgischen Hauptstadt an und wir essen den Rest von Leilas Khachapuri und Eiern. Dazu ein frisch aufgebrühter Jacobs-Instantkaffee.
Wir möchten zunächst die wichtigsten Eckpunkte in unserem Viertel abklappern. Dazu gehört zu allererst ein Ausflug auf den Berg Mtatsminda, auf dem sich auch der gleichnamige Vergnügungspark befindet. Wir sehen Parallelen zu Kutaissi. Hat das mit den Parks auf den höchsten Gipfeln System? Wegen der noch vorherrschenden großräumigen Sperrung in Innenstadtbereich werden wir von der Polizei zurückgewiesen. Wir müssen wieder einen Umweg gehen. Vorbei am Parlament, einer Schule und teilweise begleitet vom himmelsgleichen georgischen Volksgesang. Scheinbar finden irgendwo im Gebäude nebenan Proben statt. Wir finden die Seilbahnstation dennoch problemlos und wollen uns die 550m steiler Auffahrt nicht entgehen lassen. Die Anlage ist modernste Technik von Doppelmayr, dem Skiliftproduzenten schlechthin, habe ich von Teresa gelernt. So schnell wie der Lift oben ist, hat man kaum Gelegenheit es sich im Inneren bequem zu machen.
Wir steigen ganz oben aus und lassen die Mittelstation aus, die zu einem Kloster führen würde. Es zeigt sich das bekannte Bild eines Vergnügungspark, aber deutlich moderner als in der drittgrößten georgischen Stadt. Mit "Wedding Hall", Streichelzoo, vielen Restaurants, einem Riesenriesenrad (mit geschlossenen Kabinen und sogar funktionierender Sicherheitstechnik?) und dem von überall sichtbaren Funkturm vom gestrigen Foto. Der Blick auf die Stadt von hier oben lässt die Stadt selbst ganz klein aussehen.
Die charmante Unordnung, die Makel, Fehler, Blätterfassaden und löchrigen Straßen werden von hier aus zu einem verträumten Farbenmeer an Gebäuden. Es ist wie ein riesiges Wimmelbild, auf dem man immerwieder einmal ein ziemlich interessantes Detail entdeckt: hier das Fußballstadion, dort ein Riesenrad und verlassen ausschauende (aber wahrscheinlich bewohnte) Hochhäuser. Armut und Reichtum ganz schön nah beieinander. Und obwohl die Stadt über eine Million Einwohner hat, sind wir mit einigen weiteren Touristen, einer handvoll einheimischer Vergnügungswütiger und einer Hochzeitsgesellschaft zwei von ganz wenigen.
Wir halten uns oben auf dem Gipfel etwa zwei Stunden lang auf, ein Bier mit Panoramablick mit inbegriffen, und fahren wieder ins Tal. Von dort aus gehts nun fußläufig weiter. Im Hinterkopf haben wir immer noch das Bild, wie die Stadt von oben wirkt. Hier kommen die Gerüche dazu, der Lärm, der Blick in die Vorgärten, das Ausweichen vor den Autos. Es ist nicht negativ, die Stadt wirkt bloß intensiver.
Wir wollen den nächsten Berg in Angriff nehmen. Da oben steht die Narikala-Festung und soll uns einen unvergesslichen Blick über die Stadt bescheren. Mittlerweile ist die leichte Bewölkung auch vollkommen einem freundlichen Sonnenschein gewichen - genau richtig um sich wohl zu fühlen.
Vor uns tun sich ein paar enge, in den Fels gebaute Wohnhäuser auf. Es ist eng und verwinkelt und es werden wieder viele Treppen werden. Es ist das Betlehem-Viertel. Jetzt fühlen wir uns nicht mehr nach Cuba zurückversetzt, eher nach Castelsardo auf Sardinien. Die engen Treppen hochgehend steht man quasi im Wohnzimmer der Anwohner. Eine Gans lässt sich die Sonne auf die Federn scheinen. Offenbar stören wir nicht.
Eine gute halbe Stunde später sind wir ganz oben auf dem Berg. Freundlich, aber doch stolz und mutig begrüßt uns Kartlis Deda, die Mutter Georgiens. Dabei handelt es sich um eine riesige Monumentalstatue, die man von ganz Tbilissi aus sehen kann. Wir befinden uns nun auf dem Sololaki-Gebirgskamm und freuen uns über das schöne Panorama. Die alten Gemäuer sind begehbar, wenn auch mühsam. Und die Touristenströme treffen hier aufeinander, ähnlich wie in der Restaurantmeile in der Altstadt. Die Stadt wird langsam in einen glänzenden Goldton gehüllt. Zusammen mit den sandfarbenen Bergen und Bergkämmen rundherum kommt hier ein ganz besonderes orientalisches Flair auf.
Schon öfter ist uns der Gedanke gekommen, dass die fehlenden Sicherheitsmaßnahmen wie Geländer, Hinweisschilder und Absperrungen bei uns in der Heimat undenkbar wären. Bei uns ist man die Regulation und Bemutterung gewohnt und neigt dazu das eigene Hirn einfach mal in den Leerlauf zu legen. Hier und da sieht man dadurch gerade Bleichgesichter unvorsichtig und leichtsinnig werden.
Hinter der Festung, stadtauswärts in einigen hundert Metern Luftlinie, steht noch ein weiteres Kloster. Es fügt sich wunderbar in die Stimmung ein. Wir haben uns nun sattgesehen und nehmen den bequemen Weg bergab: Wir fahren mit der Seilbahn über den Fluss Mtkwari. Sie bringt uns quasi direkt und in Nullkommanichts vor die Friedensbrücke in den Rike-Park.
Die Trackingapp verrät, dass wir 9 Kilometer unterwegs waren, davon müssen wir knapp 1,5 Kilometer (Seil)bahnfahrten abziehen und kommen auf unser Wanderpensum, das ein wenig ernüchternd wirkt. Der Tag hat mich ein wenig mitgenommen, was wahrscheinlich am zurückgelegten Höhenprofil liegt. Und an der Tatsache, dass wir die letzten Tage fast pausenlos zu Fuß unterwegs waren. Teresa hingegen ist gut zurecht gekommen. Dennoch freue ich mich auf den Abend und das übliche Programm: Frischmachen und was zu Essen und Trinken suchen. Wir wollen uns noch in anderen Ecken der Altstadt umschauen und landen erstmal in einer ungemütlichen Ecke mit Shishabars, Nachtclubs und Champagnerwerbung. Hier zählt das Aufn-Putz-Hauen und Zeigen-Was-Man-Hat. Angetan hat's uns dann das Restaurant Sioni 13. Wir essen hausgemachte, sehr leckere Khinkali. Hier lohnt sich das Warten. Gegenüber wird hervorragender Jazz gespielt. Ein paar Kellnerinnen schleppen Bierflaschen in Plastiktaschen in den Laden rein. Ist wohl ausgegangen. Die Kellner*innen sind allesamt nett und zuvorkommend. Wir sind die letzten Gäste, die sich auf den Heimweg machen.