Reisetagebuch Georgien 2019

Geschichte, Land und Steppe

Tagesausflüge um Tbilissi

Fünfmal wollen wir in Tbilissi übernachten. Und wir haben von vornherein geplant, von der Hauptstadt aus einen bis zwei Tagesausflüge zu unternehmen. Ich habe hier schon gehört, dass Georgienreisende durchaus auch über die komplette Dauer ihrer Reise in Tbilissi bleiben und das als Basis nehmen um quasi sternförmig Tagesausflüge in alle Richtungen zu unternehmen. Klar spart man sich die Zeit für das Packen, irgendwie stelle ich mir das dennoch "rastloser" vor als durch's Land zu reisen. Statt einfacher Fahrt ans Ziel und entsprechender Flexibilität vor Ort ist man an den Zeitplan des Veranstalters gebunden und verbringt gleich ein Vielfaches der Zeit im Auto. Aber jeder so wie er mag.

Mit den Tagesausflügen ist das ohnehin so ein Thema, egal in welchem Land man sich befindet. Man wird an der Straße angequatscht, undurchsichtige Preise werden verlangt, es steht kein konkretes Ablaufprogramm, man wird durch Restaurants und Basare gejagt. In Kutaissi haben wir eine gute Entscheidung damit getroffen, uns einen Fahrer zu nehmen. Für insgesamt 100 Lari stand er uns den ganzen Tag zur Seite, sodass wir uns entspannt alle Sehenswürdigkeiten in der Umgebung anschauen konnten, die wir uns anschauen wollten. Mit den Gruppentouren wären es Schnelldurchgänge geworden: Eine höchstens zwei Sehenswürdigkeiten und Größenordnungen mehr Reisezeit.

Teresa hat von Deutschland aus bereits den Veranstalter Gareji-Line ausgemacht. Die Jungs und Mädels haben ein bestechendes Konzept ausgearbeitet: Guter, transparenter Internetauftritt, günstige Preise, und ein unkompliziertes Konzept: "Komm vor halb elf zum Treffpunkt, wir nehmen dich auf jeden Fall mit". Diese Unverbindlichkeit ist für den Touristen natürlich ein riesiger Pluspunkt. Haste Lust, fährste mit (garantiert). Kein unnötig frühes Erscheinen, um einen Platz zu bekommen, kein Ticketkauf am Vortag, keine merkwürdigen Preisverhandlungen mit Fahrern und Mittelsmännern. Dieser sympathische Auftritt hat uns zwei Gruppentagestouren ins Visier fassen lassen.

Nun, der Treffpunkt ist am Pushkin-Park direkt am Friedensplatz Freiheitsplatz (auch in den letzten Beiträgen hieß es "Friedensplatz". Sorry, etwas stimmte nicht mit meiner Übersetzung im Kopf). Auf dem Flyer im Internet zeigt ein dicker Pfeil auf eine Stelle im Park. Bloß: Da ist nix! Erst beim wiederholten Vorbeigehen fällt uns dann eine schmächtige junge Frau auf - nette und offene Erscheinung, sonst aber total unscheinbar. Sie kommt auf uns zu und fragt uns auch gleich, ob wir mitwollen, drückt uns einen Flyer von der Gareji-Line in die Hand. Volltreffer!

Jetzt fällt uns auch auf, dass überall vereinzelt Touristenpärchen sitzen, die auch mitwollen und bereits mit ihr gequatscht haben. Der Veranstalter bietet zwei Touren an. Eine nach Davit Gareji, die andere nach Mtskheta und Uplistsikhe. Beim Schreiben fällt mir wieder auf wie unaussprechlich diese Namen wirken wenn man sie liest. Wenn man sie einmal gehört hat, dann geht's tatsächlich. Ähnlich übrigens wie mit der Grundversorgung an Alltagsfloskeln: "Gamarjoba" ("j" wie in Dschungel) für "Hallo", "Gmadloba" (stummes "g") für "Danke" und "Nachwamdiz" ("w" wie im englischen "well") für "Auf Wiedersehen". Macht's euch nochmal bequem, heißt es, der Fahrer kommt gegen 10:30. Kurz vor halb elf bezahlen wir die 2x30 Lari. Kurz darauf sollen wir uns unter den Baum an die Straße stellen, der Fahrer käme gleich. Wir sind die einzigen, die sich für diese Tour entscheiden und kriegen unsere zweite Privattour auf dieser Georgienreise. Los geht's!

Tag 6: Tagesausflug nach Uplistsikhe und Mtskheta

Unser Fahrer ist ein sympathischer, junger Vollbart- und Basecapträger. Ein wenig schüchtern, und voll in Ordnung. Es ist der Mann, der schon neben der unscheinbaren Gareji-Line-Frau gesessen hatte und sich dezent im Hintergrund gehalten hat. Geschickt manövriert er den achtsitzigen Honda, der wohl seine jungen Jahre in Großbritannien verbracht hat, durch den vormittäglichen Hauptstadtverkehr. Es geht wild zu. Es sind effektiv immer ein bis zwei Straßenspuren mehr in Benutzung als auf der Straße selbst aufgemalt sind. Und gelegentlich fahren die Autos versetzt nebeneinander und permanent die Spuren wechselnd. Das einzige, was sie gemein haben ist mehr oder weniger in dieselbe Richtung zu fahren. Die Autos sind hier kunterbunterweise mal Links- und mal Rechtslenker und mit Automatikgetrieben ausgestattet. Bei dem ruppigen Verkehr würde man mit dem Schalten wahrscheinlich ohnehin schnell am Rad drehen.

Kilometerlang reihen sich die alten, abgewohnten Hochhausblocks entlang der Hauptausfahrsstraße der Stadt. Dazwischen immer wieder, irgendwie unpassend, hochmoderne Appartement- und Hotelanlagen. Diese Mischung hat man bereits vom Mtatsminda-Vergnügungspark aus gesehen. Von hier aus wirkt der Kontrast nochmal deutlich intensiver. Die vereinzelten Hochglanzfassaden wirken wie Fremdkörper - künstlich und steril. Bei uns fallen sie gar nicht mehr auf.

Wir erkennen nun einige Eckpunkte wieder, die wir auf dem Hinweg von der Marschrutka aus gesehen haben: die Tbilisi-Mall zum Beispiel - ein gigantisches Einkaufszentrum am Rande der Stadt. Kurz befahren wir die Autobahn, um sie sogleich wieder für eine schlecht ausgebaute Straße einzutauschen. Sie führt uns hoch auf einen Berg auf dessen Gipfel Jvari steht, ein orthodoxes Kloster aus dem 6. Jahrhundert und mittlerweile zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt. Dieses Gebäude steht unverändert seit 1400 Jahren, und hier bröckelt nichts.

Blick vom Kloster Jvari

Es sind viele Touristen hier, erstaunlich viele. Der Lärm der einige hundert Meter unter uns verlaufenden Autobahn will hier irgendwie nicht reinpassen. Dennoch lädt dieser Ort zum Nachdenken und Staunen ein.

Im Kloster Jvari

Zwanzig Minuten später heißt's "weiterfahren!". Es wird eine etwas längere Fahrt werden über Landstraßen und Dörfer. Wir sehen die Zedazeni-Brauerei, offenbar verlassene Industriegebiete aus Zeiten, in denen es Georgien besser ging? Auch die Dörfer scheinen ihre beste Zeit hinter sich gelassen zu haben. Und es sind viele Dörfer, die wir passieren. Die Zeit scheint hier langsamer zu vergehen, der Fortschritt lässt auf sich warten. Die Straßengräben sind gesät mit Autofriedhöfen. Kühe weiden wild in der Pampa - es scheint unwirklich. Und auch wenn sich die Augen nicht sattsehen können, fallen uns wieder einmal im Wechsel die Augen zu.

Uplistsikhe

Uplistsikhe aus der Ferne

Etwas länger als eine Stunde dauert die Fahrt in die Höhlenstadt, die bereits 600 v. Chr. errichtet wurde und zum Handelszentrum der Seidenstraße wurde. Wir dürfen hier anderthalb Stunden verbringen und den Ort ganz auf eigene Faust erkunden.

Die Höhlen sind bemerkenswert und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus: Welcher Kraftaufwand wohl nötig war um die Höhlen aus dem Berg zu schlagen, die zahlreichen Feuerstellen fein säuberlich in den Fels zu arbeiten?

Tatsächlich bot die Stadt wohl alles, was eine Stadt ausmacht: Apotheke, Gefängnis, Bäckerei, Lagerhäuser, Weinkeller, ...

Der Weg auf den Berg hinauf gestaltet sich teilweise schwierig. Staub und Sand lassen die Schuhe den Grip verlieren. Eine polnische Touristin stößt sich den Kopf an einem in den Fels geschlagenen Durchgang. Nach einem kurzen Schockmoment, der durch die Reisegruppe ging, wird wieder gescherzt: "Masz szęście że nie rozwaliłaś jaskinię, Jola!"

Wir kosten die vollen anderthalb Stunden aus, immer wieder fasziniert von dem, was die alten Gemäuer mal beherbergt haben. Wie die das hier wohl bei Regen gemacht haben? Auf dem blanken Fels muss es furchtbar glatt sein. Auch damals schon. Der Blick von oben ist eindrucksvoll - an Superlativen mangelt es der georgischen Landschaft wirklich nicht, das merkt man recht schnell. Grinsend nähern wir uns unserem Fahrer. Mtskheta wartet. Auf dem Weg versuchen wir noch die verpassten Eindrücke des Hinwegs aufzusaugen.

Mtskheta

Eins war die Stadt die Hauptstadt des iberischen Reichs. Heute ist es religiöses Zentrum und Touristenmagnet. Kommerziell ausgeschlachtet und ausgeblutet. Man muss einige hundert Meter laufen, ehe man sich an den tüchtigen Geschäftsleuten bis zum eigentlichen Highlight vorkämpft. Ohne Russischkenntnisse ist es um einiges einfacher, die Lockrufe ungehört verklingen zu lassen. Das eigentliche Highlight ist die Swetizchoweli-Kathedrale, gut geschützt hinter meterhohen Mauern verborgen.

Wir werfen einen Blick hinein, ergötzen uns respektvoll der Ikonen und dem Lichtspiel der Kerzen in dem Dämmerlicht des alten Gemäuers. Wir drehen noch ein paar Runden in der Kathedrale und schauen uns auf dem Außengelände um. Hier packt auch der Geistliche bei Bauarbeiten an. Ora et labora. Das war's im Wesentlichen für diesen Ort. Beeindruckt von Uplistsikhe und etwas enttäuscht von Mtskheta ziehen wir ab, wir Banausen.

Es fällt uns hier wirklich schwer, der Bedeutung und Geschichtsträchtigkeit der einzelnen Orte die entsprechende Würde zu erweisen. Das mag natürlich einerseits daran liegen, dass wir uns nicht bis ins letzte historische Detail mit den Sehenswürdigkeiten und Orten auseinandergesetzt haben. Das ist von vornherein auch nicht der Anspruch gewesen. Andererseits sind es ganz schön viele Eindrücke, Namen, wichtige Orte und Wow-Momente, die auf uns einprasseln. Das muss erstmal verarbeitet werden. Ich denke, dass mit dem Ende des Urlaubs erst die Nachbereitung anfängt.

Abends suchen wir wieder das Metis auf. Ein Hubschrauber dreht schon seit mehreren Stunden wilde Runden knapp über den Dächern der Stadt. Von hier aus wird man direkter Zeuge des Schauspiels. Vorne hat er eine Kamera dran und wir schließen schnell, dass das mit dem Filmdreh zu tun hat. Scheinbar eine ganz schön aufwendige Produktion. Immer wieder kommt der Hubschreiber um die Ecke geschossen, dreht um 180 Grad und startet in sehr steilem Winkel direkt in die Richtung durch, aus der er kam. Alles unvorstellbar tief für deutsche Verhältnisse.

Tag 7: Davit Gareji

Der Tag beginnt erstmal mit Wäsche waschen. Das von unserem Gastgeber empfohlene Schnellprogramm mit 17 Minuten ist uns doch nicht ganz geheuer. Wir wählen das zweitschnellste: 51 Minuten. Währenddessen duschen und Wasser kochen für den Kaffee. Frühstück machen wir uns in Tbilissi selbst, wenn auch nicht ganz so üppig wie bei Leila. Dazu haben wir leckeres Brot gekauft, Käse und Butter - das soll für den Start reichen.

Um halb elf wollen wir wieder am Gareji-Line-Treffpunkt sein. Vorher noch Geld wechseln, denn der Kurs ist hier in den Wechselstuben deutlich günstiger als von unserer eigenen Bank am Automaten. Läuft wie geschmiert. Die Gareji-Frau erkennt uns auch wieder, unser Fahrer von gestern ist auch dabei. Es wird voll im Pushkin-Park: Viele Deutsche, viele Polen. Nur wenige Anderssprachige. Auf der Bank sitzend bemerken wir, dass es vielen so geht, wie es uns gestern ging: Sie machen sich keinen Reim darauf, dass die unscheinbare Frau wirklich für die Reisen verantwortlich ist. Aber sie hat alle ihre Schäfchen eingesammelt, es sind bestimmt 40 Leute. Wir werden in Gruppen aufgeteilt, Teresa und ich kommen in die kleinste. Es wird sich gleich herausstellen, dass wir wieder bei unserem gestrigen Fahrer mitfahren werden. Die anderen werden in Marschrutka-Bussen gefahren. Heißt letztlich für uns: Schnelleres Vorwärtskommen, bequemeres Sitzen, mehr Freiheit.

Wir fahren diesmal zum südlichen Ende Tbilissis raus, langsam der aserbaidschanischen Grenze entgegen. Die Fahrt soll zweieinhalb bis drei Stunden dauern und wir können uns wegen der geringen Entfernung von ca 50 Kilometern keinen Reim auf die Fahrtzeit machen.

Unser Fahrer holt unterwegs Fleisch

Gut, die Fahrt wird von einigen Zwischenstopps begleitet: Erst tanken, dann kurze Rast an einer Raststätte beim Tbilisser Öldepot, dann holt unser Fahrer einen großen Beutel Fleisches in der Metzgerei einer kleines Ortes. Alles willkommene Zwischenstopps um sich die Umgebung etwas näher anzuschauen und nicht alles nur "beim Durchfahren" zu sehen.

Kurz darauf befinden wir uns in einer Mondlandschaft, sie ist steppen-, fast wüstenartig. Sehr karg, hügelig und die Straßen sind holprig und mit mannsgroßen Löchern durchsät. Im Frühling soll hier sattes grün dominieren. Jetzt ist alles staubig.

Wir fahren beinahe im Schritttempo. Jetzt ergibt das mit der langen Fahrtzeit wieder Sinn. Die Landschaft erinnert mich an die Steppe Ostarizonas, direkt von den Rockies kommend. Auf unserer rechten Seite ist ein fast ausgetrockneter See. Er wirkt wie ein Salzsee: In der Sonne gleißend hell und ohne dass sich Wasser drin befindet.

Fotostopp, in der Ferne der Salzseh

Auf der nächsten Hügelkuppe wird ein Fotostopp gemacht. Alle drei Autos halten und wir bekommen etwas Zeit um das auf uns wirken zu lassen. Das Licht steht ungünstig: Mittagssonne, keine Kontraste. Wir machen Selfies, versuchen trotz der Hitze und des ungünstigen Lichts die Landschaft und Stimmung einzufangen. Vor allem aber nutzen wir die Augenblicke um uns intensiv umzuschauen. Einige Deutsche in der Gruppe neigen zur Selbstdarstellung. Das wird nicht das einzige mal sein. Hauptsache ein wenig Aufmerksamkeit in der Stille.

Es geht weiter durch die karge Landschaft. Die Straße wechselt zwischen "in den 70ern asphaltiert worden" und "Geröllhaufen". Es geht nur mühsam vorwärts und nach einiger Zeit erreichen wir das Dorf Udabno. Auf der Rückfahrt sollen wir hier zum Abendessen halten. Jetzt halten wir nur kurz - der Fahrer will noch das Fleisch und ein Ladekabel bei einer befreundeten Familie vorbeibringen.

Die Landschaft wird noch unwirtlicher, noch schroffer. Die Hügel werden steiler, die Pisten werden zu Reifenspuren im Sand und im Geröll. Hier und da ist noch etwas wie eine Straße zu erkennen. Wir hören manchmal die Steine an unserem Unterboden vorbeischrammen. Mit unserem Allradwagen kommen wir deutlich besser durch die Landschaft als die behäbigen Kleinbusse. Unser Fahrer hat auch sichtlich Spaß daran, die Seitenpisten zu nehmen, auf denen weniger Steine liegen, auf denen aber das Gefälle ein wenig steiler ausfällt. Mal werden wir in den Sitz gepresst, mal schneidet sich der Gurt in die Rippen.

Auch die Landschaft ändert sich allmählich wieder. Die Hügel werden röter, steiniger, der Sand wird weniger. Die Fahrt selbst ist schon ein Erlebnis gewesen und eine Erfahrung, trotzdem freuen wir uns darauf auszusteigen. Wir sind da, in Davit Gareji.

Das älteste Kloster Georgiens liegt nun einige Dutzend Meter von uns entfernt. Der Ort könnte nicht abgelegener und unwirtlicher sein. Zwei Stunden haben wir Zeit uns hier aufzuhalten. Neben unseren drei Fahrzeugen befinden sich vielleicht noch drei weitere Kleinbusse hier. Wir haben es viel überlaufener und gedrängter erwartet. Es gibt einen kleinen Shop, in dem man Wasser kaufen kann. Er liegt unaufdringlich auf der Rückseite des Empfangsgebäudes, in dem man auch die Toilette für 0,5 Lari nutzen kann.

Es kommt uns gelegen, alles in Ruhe auf uns wirken lassen zu können. Wir betreten die Lawra, das Gebetshaus der Einsiedlermönche. Es ist ähnlich eines Forts rechteckig von einer Mauer umgeben. Von der oberen Etage hat man einen wunderbaren Blick auf die Landschaft im Hintergrund und auf die Mönchszellen. Sie sind in den schräg abfallenden Fels geschlagen und wirken filigraner, fast schon weniger erodiert als die Felsstadt Uplistsikhe. Hier regnet es auch deutlich weniger.

Beim Aufstieg auf den Berg sieht man in den Fels geschlagene Rinnen, die das wenige Regenwasser zu Zisternen führen. Wir sind von schwer bewaffneten, aber gut gelaunten georgischen Grenzsoldaten umgeben. Unser Ausflug endet an einer kleinen Höhle, aus der angenehme Kühle tritt. Unter normalen Umständen wäre ein deutlich größerer Rundgang möglich. Auf die andere Seite des Bergkamms zu den Höhlen von Udabno und zur Auferstehungskapelle. Aktuell bestehen wohl Spannungen zwischen Georgien und Aserbaidschan. Uns wurde gesagt, dass aserbaidschanische Grenztruppen den Zugang zu den Sehenswürdigkeiten blockieren würden.

Dennoch geben wir uns äußerst zufrieden mit den Eindrücken, die wir hier sammeln können und denken zu keinem Zeitpunkt an die Giftschlangen, deren Wohnzimmer wir hier betreten. Ein wenig zu früh begrüßen wir wieder unseren Fahrer und warten die letzte halbe Stunde geduldig auf dem Parkplatz im Schatten, erkunden zwischendurch nochmal die Umgebung, sobald es die Körpertemperatur wieder zulässt.

Derselbe holprige Weg führt uns Meter für Meter zurück. Acht Touristen, ein Fahrer. Mir kommt die große Freude zu Teil auf dem Beifahrersitz zu sitzen, wie auch schon auf dem Hinweg. Ich freue mich darüber, viel von dem Geschehen vor uns mitzubekommen. Vor uns sind die zwei Kleinbusse. Unser Wagen von der Größe eines größeren Familienwagens fährt in den Staubwolken der Vorgänger durch die karge Landschaft. Unser Konvoi wirkt in dieser Landschaft eher wie eine Karawane. Zwischendurch geht es von der unbefestigten Straße immer mal wieder auf die noch weniger befestigte Straße: querfeldein, bis an die Grenzen der Aufhängung und des Getriebes.

Das Licht ist besser geworden, weniger gleißend, keine Mittagshitze mehr. Jetzt wirkt auch alles kontrastreicher und dramatischer, während wir uns durch die Wüstenlandschaft durchschaukeln. Wir überholen einen Kleinbus nach dem anderen, immer wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.

Als kleine, dunkle Punkte werden die Häuser des Dörfchens Udabno in der Ferne sichtbar. Für die etwa zehn Kilometer bis hierher brauchen wir annähernd eine Stunde. Es ist ein Verpflegungsstopp im Black Horse Restaurant geplant. Es ist der Hof, auf den unser Fahrer vorhin Ladegerät und Fleisch gebracht hat. Auf dem Hof tummeln sich Pferde und Hunde. Das Restaurant selber ist ein Neubau, fast würfelförmig. Die Inhaberin ist überraschenderweise Polin und ihr knapp dreijähriger Sohn fühlt sich pudelwohl zwischen den vielen fremden Leuten. Wir bestellen Khachapuri und eine Käse-Tomatenplatte, dazu hausgemachten Weißwein.

Über die große, abgedunkelte Glasscheibe kann man das Treiben draußen verfolgen. Einige von uns sind lieber im Wagen geblieben statt ins Restaurant zu gehen. Sie können sich draußen gut mit den Pferden und den Hunden beschäftigen, oder die Landschaft genießen. In der Ferne sieht man mehrere Kühe in Reih und Glied. Es sind wieder kleine Punkte am Horizont, die sich denselben Weg entlang bewegen, den wir vor einigen Minuten auch langgeholpert sind.

Erst kommt der Wein, dann das Essen. Der Wein ist trocken, erfrischend und hat eher etwas Cidre-artiges. Die Polen rümpfen ein wenig die Nase über den Wein: "Naja, Hauswein eben!" Unserer dampfender Khachapuri kommt. Oben eine braune Käsekruste, innen zerlaufender Käse, so wie er sein soll. Der Käse vom Käse-Tomaten-Teller schmeckt hervorragend, ist in Minze eingelegt worden. Ein kurzer Moment der Verwirrung: Wir stellen fest, dass der ja gar nicht mit Fleisch gefüllt ist. Das "meat" und "mint" der Inhaberin ist doch ein wenig zu nah beieinander gewesen. Macht nix, wir amüsieren uns und genießen das leckere Essen, den erfrischenden Wein und schauen, wie aus den kleinen Punkten am Horizont große und stolze Kühe geworden sind, die träge schlurfend vor unserem Hof abbiegen.

Die Kühe sind endlich angekommen

Unsere Fahrer bekommen jetzt ihr Essen, während wir gerade fertig geworden sind. Für uns heißt das, dass wir noch ein wenig Erkundungszeit haben. Eine willkommene Gelegenheit, mal um den Hof zu gehen. Die Stadt wirkt wie eine Geisterstadt. Bei den Häusern weiß man wieder nicht, ob sie nie fertig gebaut wurden oder ob sie wieder verfallen sind - ob sie einsturzgefährdet oder bewohnt sind.

Wir kriegen Besuch: Ein großer Schäferhund begrüßt uns freundlich. Hat einen Stein im Mund. Dann kommt der kleine Januszek, der Sohn der Inhaberin, nimmt mich an die Hand und will, dass ich mich auf ein Holzbrett auf den Boden setze. Ich gehe in die Hocke und unterhalte mich mit ihm. Er erklärt in seinem kindlichen Polnisch, dass der Hund doch Steine so liebe. Tatsächlich: Januszek wirft ihm einen Stein zu, der Hund kaut ein wenig auf dem Stein herum und spuckt ihn wieder aus. Seine Zunge hängt heraus, ist heute schon mit ner Menge Steine in Berührung gekommen. Immer wenn ich aufstehen will zerrt mich Januszek zurück: "Tutaj! Siadaj!"; "Hier! Setzt dich hin!". Nach dem fünften Mal meldet sich meine Blase, Januszek hat dafür Verständnis.

Schlange vorm Klo zu lang, alle sammeln sich bei den Autos, vielleicht halte ich es ja noch den Rückweg über aus? Der erste Bus fährt los. Nachdem unser Fahrer noch keine Anstalten macht unser Auto in Bewegung zu setzen probiere ich es noch einmal. Diesmal mit Erfolg. Als ich wiederkomme präsentiert mit Teresa stolz ihr geschossenes Foto: Ein Hund, der mit Vollgas ein Schwein durch's Dorf verfolgt. Na klasse, denke ich: Vierzig Sekunden Abwesenheit und das verschlafene Nest haut auf den Putz.

Dorfszene: Hund jagt Schwein

Wir fahren los und verabschieden uns von der Gastgeberin und ihrem Mann. Von einem Hügel herunterkommend sehen wir in der Ferne Regen. Der Wechsel aus kleinen Wolken und Sonne hinterlässt auf der hügeligen Landschaft ein einzigartiges Fleckenmuster. Der vermeintlich ausgetrocknete Salzsee schimmert jetzt in gold. Ganz schön dramatischer Anblick. Ich erinnere mich, dass dieses Bild auch seit langer Zeit zu meiner Vorstellung von Georgien gehört. Wunderschön!

Wir fahren durch einen Regenschauer, kurz darauf klart es allmählich auf. Regenbogen werden sichtbar. Nass wirkt die Landschaft lebendiger.

Wir fahren an einzelnen Autofriedhöfen vorbei, dazwischen ab und zu eine Ölförderpumpe (heißt das so?). Ab hier haben wir die Hügellandschaft verlassen und befinden uns wieder auf einer Hauptzufahrtsstraße nach Tbilissi. Mir fallen die Augen zu und ich wache erst wieder in der Nähe der Innenstadt auf. Wir verabschieden uns von unserem Fahrer am Pushkin-Park. Anschließend gehen wir einkaufen und sind bereit für unsere konspirative Tagesabschlussbesprechung im KGB.

Einfahrt nach Tbilissi

Tag 8: Tbilissi ungeplant Tbilissi zu Fuß