Reisetagebuch Georgien 2019

Wenn der Marschrutkafahrer plötzlich das Gaspedal in der Hand hält

Der Wecker klingelt früh. Um 4:30 Uhr dröhnen unsere Handies durch die nächtliche Stille. Wir hatten ein wenig Schwierigkeiten einzuschlafen. Die Nachbarn, allesamt scheinbar Handwerker auf Montage, saßen bis spät in die Nacht in der Küche, die sich direkt unter uns befindet. Das ist wie als säßen sie trinkend, lachend und wild disputierend bei uns am Bett.

Ein wenig gerädert machen wir uns also fertig und packen wie gewohnt unsere Sachen. Das Taxi soll uns um 5:30 Uhr abholen. Das haben wir gestern schon unsere Gastgeberin bestellen lassen. Auch sie ist übrigens bereits wach. Scheinbar möchte sich davon überzeugen, dass auch alles glatt über die Bühne geht. Als die Abfahrtzeit nun näher rückt, wird auch sie nervös. Ein lautes Telefonat später offenbart sie uns auf deutsch, dass der Fahrer in fünf Minuten da ist. Es werden natürlich fünf georgische Minuten werden, dennoch liegen wir gut im Zeitplan. Wir verabschieden uns und steigen in den Opel Corsa.

Die Stadt schläft noch und die Fahrt zum Bahnhof dauert erstaunlich lang. Das einzige Leben scheint sich gerade am Bahnhof abzuspielen. Da werden die heutigen Nachtzuggäste um 6:00 Uhr erwartet. Wir sind eine Viertelstunde vor dem Zug da. Unser Taxifahrer schreit noch im Vorbeifahren in die Menge. Wir verstehen Irgendetwas mit Mestia. Er scheint den Fahrern Dampf zu machen uns doch bitte in Empfang zu nehmen. Die sind noch ein wenig träge, fast schon überrascht.

Wir können uns einen Platz in einem weinroten Ford Transit aussuchen, entscheiden uns für die zweite Reihe hinter dem Fahrer. Der Platz für die Beine scheint hier angenehm großzügig zu sein. Ein Pfeifen in der Ferne: Der Zug rollt langsam ein.

Unsere Marschrutka macht den betagtesten Eindruck. Ein wenig neidisch blicke ich auf die modernen weißen Personentransporter. Dann rede ich mir aber ein: "Was brauch ich den Technikschnickschnack? Solide Technik, die nur knapp jünger sein dürfte als ich selbst, das brauchste hier in den Bergen. Hat 30 Jahre gehalten. Wird noch 30 weitere Jahre halten."

Hoffentlich.

Episode 1: Hannes.

Die Ankunft der Passagiere aus dem Zug ist gefühlt wuseliger als gestern. Die Passagiere werden auf die Kleintransporter verteilt.

"Hanneeeees!", krächzt es hysterisch aus der Menge. "Haaaaanneeeeeeees!". Es scheint als würde sich ein Drama abspielen. Müssen wir jetzt dabei helfen, Hannes zu suchen? Ist da nur jemand ein wenig aufgeregt ob des Gewusels und der unruhigen Nacht? Außerdem: Wie kann man sich in einem Zug verlieren? Gibt es Hannes denn überhaupt? Dann scheppert es noch einmal: "HAAAAANNEEEEEEEES!". Das zart krächzende Stimmchen gehört zu einer proper berucksackten, schmächtigen Blondine mit Dutt. Sie ist kaum überhörbar Deutsche.

Teresa hat es sich schon lange im Bus gemütlich gemacht. Ich beobachte gespannt das Treiben, steige schließlich auch zu. Dann wird kassiert. Die Blondine sitzt in erster Reihe neben unserem Fahrer. Eine hageres Kerlchen mit Zottelhaaren hat es sich neben ihr gemütlich gemacht. Das muss Hannes sein. Ein Glück! Hannes ist wieder aufgetaucht.

Episode 2: Über die Geschäftigkeit georgischer Tankstellenpächter.

Es dauert nur noch ein paar Augenblicke bis unsere Marschrutka als allererste losfährt. Das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Nur ein Wagen, der das Zeug zum Anführer hat, bildet die Spitze, oder etwa nicht?

Der Fahrer hält an einer Tankstelle. Er hupt einmal. Er hupt zweimal. Er dauerhupt. Allerdings ist keine Bedienung in Sicht. In Georgien wird nicht selbst getankt. Normalerweise tritt jemand ans Fahrerfenster, fragt nach dem Preis, für den getankt werden soll, man bezahlt und gut ist. Ganz ohne Aussteigen und superschnell. Nur gerade jetzt klappt das eben nicht.

Einen Fluch in sich hineinmurmelnd fährt unser Fahrer weiter. Nach einigen Kilometer kommt bereits die nächste Tankstelle. Selbes Spiel. Es wird gehupt. Die Tankstelle ist verlassen. Diesmal bricht der Fahrer mit der georgischen Tankordnung, steigt aus und schaut durch das Fenster der Tankstellenbude. Er murmelt und macht einen irritierten Eindruck. Werden wir soeben Zeugen eines noch nie dagewesenen Ereignisses?

Pausenlos vor sich hermurmelnd steigt unser Fahrer in die Marschrutka und fährt los. Beim Fahren murmelt er munter weiter. Ich würde gerne wissen, was er murmelt. Wahrscheinlich kein gutes Zeichen. Auf meiner Stirn bilden sich langsam Fragezeichen. Ob wir ohne zu tanken weiterfahren? Der wird schon wissen, was er macht. In dem Augenblick geben wir unsere Führungsposition ab.

Die dritte Tankstelle liegt ein paar hundert Meter weiter. Beachtliche Tankstellendichte, denke ich. Aber wenn sich der Verkehr nach Mestia hier staut ist bestimmt auch eine Menge los. Um die Uhrzeit wohl nicht. Unsere Marschrutka schießt betont selbstbewusst und erbost um die Zapfsäule. Der Fahrer hupt, wie man halt hupt wenn der Tag doof beginnt. Kurz und oft, dann wieder lang. Eine Mischung aus Hilflosigkeit und Geltungsdrang. Jetzt die Lichthupe. Kurz darauf schlurft behäbig ein junger Kerl aus dem Tankstellenhäuschen. Ab hier läuft wieder alles nach Plan: Im Sitzen gibt der Marschrutkafahrer seine Befehle durchs heruntergekurbelte Fahrerfenster und bezahlt.

Wir fahren eine langgezogene Straße entlang, die durch ein Tal führt. Die Sonne geht auf. Sie hüllt alles in einen verträumten gelb-orangen Schimmer. Vor uns türmt sich der Kaukasus auf. Uns fallen die Augen zu. Unbequem ist es nicht. Meine Knie nutze ich ein wenig, um den fehlenden Gurt zu kompensieren. Auch etwas, das zum Marschrutkafahren dazugehört.

Episode 3: Wofür sind die Flüssigkeiten in Autos nochmal?

Immermal wieder wache ich aus dem Halbschlaf auf. Wir sind bereits eine Stunde in Bewegung, drehen mittlerweile unsere Runden durch die Serpentinen des recht flachen Anstiegs. Trotzdem stöhnt unsere weinrote Klapperkiste merklich. Mal der dritte Gang, mal der erste. Der erste Gang riecht nach Benzin. Der zweite wird gleich übersprungen. Der dritte ist ein Grummeln.

Wir werden langsamer. Das Grummeln wird immer grummliger. Wir tuckern mit gut zwanzig Stundenkilometern durch das Licht- und Schattenspiel der westgeorgischen Berglandschaft. So kriegt man alles gut mit. Auch schön, denke ich. In dem Tempo sind wir in knapp vier weiteren Stunden da. Drei bis dreieinhalb für die ganze Strecke sind normal. Die Jeeps überholen uns. Solide Technik muss nicht schnell sein, denke ich. Der Fahrer schaltet in den stinkenden Gang. Wir fahren zehn Stundenkilometer. Ab hier könnten ein paar von uns locker anschieben. Das hysterische Jaulen des Stinkegangs wird zu trotzigem Grummeln. Spaziergangtempo. Stillstand. Handbremse. Solide Technik braucht auch mal ne Pause, denke ich.

Der Fahrer steigt aus, humpelt hinter den Wagen. Von der Rückbank tönt es leicht entsetzt auf deutsch: "Wir verlieren Flüssigkeit". Die ersten steigen aus der Marschrutka, begutachten das Ganze. Es ist eine klare Flüssigkeit, teilweise rostrot. Teresa bleibt zunächst als einzige drin. Überlegt es sich aber schnell anders. Falls unser weinroter solider Bolide doch in die Luft fliegen sollte. Ich überdenke das mit dem "solide" nochmal.

Ein Deutscher tunkt den Zeigefinger ein, riecht daran und verkündet stolz: "Kühlflüssigkeit, die Farbe ist aber nicht normal."

Die Marschrutki, die nach uns gestartet sind und uns noch nicht überholt haben, halten auch an. Einige vor uns, einige hinter uns. Hier hält die Fahrergilde zusammen. Ich guck mich derweil um. Teresa beobachtet derweil argwöhnisch, wie die drei, vier, oder auch mehr Marschrutkafahrer unter der Motorhaube kontemplieren und an irgendwas zuppeln.

"Pajechali!", ruft der Marschrutkafahrer sichtlich erleichtert. Weiter geht's. Der Motor grummelt wieder. Wir sind jetzt sogar über den dritten Gang hinaus. Ein wohlklingendes Schnurren.

Episode 4: Pause.

Zu unserer Linken liegt das Enguri-Reservoir. Ein riesiger Stausee, der vom gleichnamigen Gletscherfluss gespeist wird. Die seltenen Lücken zwischen Bäumen und Häusern lassen leider nur erahnen, wie schön die Landschaft hier ist. Bei Sonnenaufgang echt der Hammer. Hier und da stehen kleine 4x4-Kleintransporter am Straßenrand. Solche vom Typ, die uns auch nach Davit Gareji gebracht haben. Größtenteils asiatische Touristen halten die Landschaft mit ihren kopfgroßen Spiegelreflexkameras fest.

Enguri-Stausee

Wir halten an. Es riecht nach Holzofen und Bergluft. Es ist merklich kühler als weiter unten. Wir machen Pause. Muss auch mal sein. Obwohl vielen nicht mehr nach Beine vertreten ist, steigen die meisten aus. Teresa bleibt sitzen. Sie bekommt mit, wie die Fahrer Wasser nachfüllen. Wohl das fehlende Kühlwasser.

Hier stehen einige Büdchen, in denen Snacks und Getränke an die Touristen verkauft werden. Das Plumpsklo erfreut sich auch größter Beliebtheit.

Zehn georgische Minuten später geht's dann wieder weiter. Stinkegang, Grummelgang, Schnurrgang. On the road again!

Episode 5: Ein bisschen Draht und Spucke wird's schon richten.

Sowas wie ein Zeitgefühl haben wir nicht mehr. Durch das ständige Wegnicken ist alles etwas lückhaft. Wir halten an. Handbremse. Der Fahrer flucht und lässt dabei seine Hände in den Schoß fallen.

Langsam vermute ich, dass auch für ihn die ständigen Stopps nicht zum Tagesgeschäft gehören. Ist aber nur eine Ahnung.

Hannes und seine Liebste behalten in erster Reihe alles im Blick. Betont sachlich und die Situation beschreibend äußert Hannes' Liebste trocken: "Jetzt hat er das Gaspedal in der Hand." Naja, wenn's sonst nichts ist. Hätte ja auch das Bremspedal sein können. Ein Raunen geht durch den Raum. Keine Hysterie von der Liebsten. Hannes scheint's wohl gut zu gehen.

Das Gaspedal ist ab.

Entgegenkommende Fahrzeuge kurbeln die Fenster runter. Wirklich fast jedes! Offensichtlich fragen die Fahrer, was passiert sei, ob sie helfen könnten. Nun, die Situation ist wahrscheinlich ein wenig kniffliger. Uns fehlt das Gaspedal (!). Ich denke kaum, dass zufällig jemand ein Ersatzgaspedal im Kofferraum verstaut hat. Ich frage mich, ob sowas überhaupt in Ersatzteillisten geführt wird. Ist sowas je schonmal abgefallen?

Routiniert verlassen alle den Bus und vertreten sich die Beine. Teresa kommt mit raus in die Sonne. Das könnte etwas länger dauern, vermute ich. Aber hinter unserem Auto ist alles trocken. Gute Nachrichten also.

Die bekannte Traube von Marschrutki hat sich wieder gebildet. Als wären sie hinter uns hergefahren, weil sie dem Ganzen noch nicht trauten. Naja, denke ich, so einen höchsttechnologisierten neuen Transporter kannste nicht einfach mal so reparieren. Diese solide Technik aber schon.

Wir bekommen mit, wie die vorbeifahrenden und sich erkundigen Autofahrer reagieren, als sie erfahren, was los ist: Kopfschütteln, leichtes Lächeln, weiterfahren. Was anderes bleibt einem wahrscheinlich nicht übrig.

Zwanzig Minuten stehen wir nun auf der Straße. Die Zweifel wachsen mit jeder Minute, doch noch mit unserem "liebgewonnenen" Ford-Unikat weiterzufahren. Wie denn auch, ohne Gaspedal?

Teresa beobachtet, wie ein Fahrer aus der Mechanikertraube von seinem Auto wiederkehrt. Stolz präsentiert er ein Stück Draht. Das wird bestimmt die Lösung! Der Fahrer der grünen Marschrutka vor uns verarztet unser weinrotes Kaukasusmobil mit Draht.

Vollkommen unspektakulär, und als wäre nichts gewesen, heißt es nach fünf Minuten wieder: "Pajechali!". Einer der Begriffe, die wohlklingendes Schnurren versprechen. Wir steigen ein. Alle ein wenig fassungslos und verunsichert. Aber was kann jetzt noch passieren?

Unser Fahrer lässt den Motor im Leerlauf demonstrativ aufheulen. Stolz und voller Vorfreude, als wolle er dem Schicksal den Mittelfinger zeigen.

Episode 6: Wenn's raucht, dann weiß man wenigstens, dass der Motor noch läuft. Oder so.

Wir sind startklar. Jetzt kann wirklich nichts mehr schiefgehen. Wir haben alles gesehen. Denken wir. Die Kolonne um uns herum setzt sich zögernd in Bewegung. Der Moment ist gekommen, die Handbremse zu lösen. Der Fahrer setzt an, drückt den Handbremshebel von sich weg in Richtung Boden. Kupplung kommt. Das verarztete Pedal wird getreten. Vollgas!

Es ruckelt einmal ganz kräftig. Aber wir haben uns keinen Zentimeter bewegt. Unser Fahrer zieht die Handbremse nocheinmal, drückt sie von sich unter vollstem Körpereinsatz. Wieder dieses Ruckeln.

Leicht beschämt beschuldige ich gedanklich die Fahrer, dass jetzt Gas- und Bremspedal im Eifer des Gefechts miteinander "verdrahtet" wurden. Nein, das kann nicht sein. Unser Fahrer hupt georgisches SOS. Die grüne Marschrutka vor uns tritt voll in die Eisen. Wir sind hier noch nicht ganz fertig. Na gut, landschaftlich hätte es uns schlimmer treffen können. Es rührt sich erstmal keiner, obwohl wir mittlerweile routiniert im Ein- und Aussteigen sind. Unser Fahrer wirkt resigniert und herausgefordert zugleich.

Wir ahnen schon ungefähr worum es geht als unser Fahrer dem netten Kollegen eindeutige Handzeichen gibt. Die Handbremse klemmt. Sowas kannste dir nicht ausdenken. Jetzt kannste Gas geben, aber die Bremse bremst besser als sie sollte.

Sie gestikulieren wild und erregt. Es wird georgisch-laut. Bei den Passagieren herrscht diese komische Mischung aus verzweifeltem "auch das noch" und "wenigstens kann ich daheim was erzählen".

Unser Fahrer steigt aus, überlässt dem Kollegen das Steuer. Er wirkt dynamisch, motiviert. Das packt er sicherlich auch. Zumindest sieht man ihm den Kampfgeist an. Handbremse anziehen, volle Kanone zum Fußraum drücken, Gas geben, Kupplung weg. Geht nicht!

Nochmal. Immernoch nicht.

Jetzt kommt die Vollgastechnik. Bremse lösen durch... Vollgas geben eben. Das nun wie neu wirkende Gaspedal wird voll durchgedrückt. Die Kupplung ruckartig losgelassen. Die Kunst besteht darin, den Motor nicht abzuwürgen. Klar. Nicht abzuwürgen kriegt er auch hin. Doofer Nebeneffekt: Uns schüttelt es immer wieder kräftig durch. Der Motor kreischt hysterisch auf: Hannes! Aua!

Dieses Ruckelspiel stärkt den Kampfgeist und den Gemeinschaftssinn. Wir werden es noch einige Male spielen - immer in der leisen Hoffnung, dass die Handbremse endlich nachgibt. Unser Auto raucht. Gut, das hat es sonst auch schon gemacht beim Gasgeben. Tiefschwarz nämlich. Jetzt raucht es gräulich aus der Motorhaube. Georgisches Habemus Papam - weißer Rauch zeugt von Fortschritt, nur eben jetzt nicht. Der Rauch wird mehr. Der Motor wird abgestellt, der jungsche Erstehilfemechaniker läuft zur Motorhaube, öffnet sie. Ganz schön viel grauer Rauch, denke ich. Könnte doof sein. Es stinkt nach verbranntem Etwas. Öl, Plastik, keine Ahnung. Wahrscheinlich war's das jetzt endgültig.

Die ersten Fahrgäste mutmaßen, dass die Kupplung jetzt hinüber sei. Der Motor wird angeschmissen, die Motorhaube noch offen. Mit gröbster Gewalt wird nochmal die radikale Handbremspumptechnik angewendet. Einfach mal ruckartig und tief genug in Richtung kaukasischen Boden drücken.

Plötzlich ein erfrischendes Klacken. Das hat's vorher nicht gemacht. Die Handbremse ist gelöst. Hauptsache die Kupplung geht noch, denken wir. Solide Technik lässt sich nicht von solcher Pillepalle beeindrucken. Da müsste schon mehr kommen. Ich schäme mich dafür, die Hoffnung verloren zu haben.

Wir haben: Benzin für 80 Lari, Kühlflüssigkeit, ein Gaspedal, eine gelöste Handbremse und eine funktionierende Kupplung. "Pajechali!"

Episode 7: Epilog.

Wir tuckern gemütlich durch die Gegend. Mal im Grummelgang, mal im Schnurrgang. Es wird wärmer, die Sonne scheint hier im Hochgebirge unentwegt. Kaiserwetter. Dieses Roadtrip-Gefühl stellt sich ein, bloß in Zeitlupe.

Weit kann's ja nicht mehr sein. Paarundzwanzig Kilometer immer schlechter befestigte Serpentinenstraße schaffen wir. Der Fahrer fährt an den Straßenrand. Wieder dieses Raunen der Fahrgäste. Wir warten auf einen nüchternen, aufklärenden Kommentar von Hannes' Liebster. Reifen verloren, brennen wir? Hat unser Fahrer nun ein anderes, nicht unwesentliches Fahrzeugteil in der Hand?

Die Entspannung kann man förmlich spüren, als alle nur unserem betagten, humpelnden Kumpel beim Humpeln ins Gebüsch zuschauen - ohne Fahrzeugteile in der Hand. Menschliche Bedürfnisse. Er betritt kurz danach genauso entspannt unser weinrotes Kaukasusmobil mit rostrotem Kühlwasser.

Je näher wir unserem Ziel Mestia kommen, desto selbstbewusster steuert er uns durch die enger werdenden Serpentinen. Er freut sich auf's Ende der Fahrt. Wir auch. Aber sein Fahrstil ist eher überoptimischtisch. Den Geräuschen nach zu urteilen hätte unser rechtes Vorderrad schon vor unserem ersten Zwangsstopp (a) in Flammen aufgehen sollen oder (b) gemütlich vor uns herrollend in die 700 Meter tiefe Schlucht stürzen müssen. Nichts davon passiert. Unser Fahrer macht drei Kreuze als wir ankommen. Wir auch.

Mestia: Auf der Sonnenseite des Kaukasus Der Regen peitscht uns in die Sonne