Wer es heute die 1400 Höhenmeter mit der Marschrutka bis nach Mestia geschafft hat, den begrüßt der Kaukasus von seiner sonnigsten Seite. Wir haben noch ein wenig an der Fahrt hier hoch zu knabbern, sind letzten Endes aber doch froh, dass unser Wunderwerk der georgischen Flickkunst nicht den Geist aufgegeben hat. Ein Hoch auf Draht und Spucke und alles andere auch!
Direkt nach unserer Ankunft setzen wir uns in ein Kaffee direkt am Marschrutkaplatz. Gestärkt wollen wir hier für eine Unterkunft für unseren Aufenthalt in Mestia recherchieren. Wir wissen noch nicht genau, wie viele Tage wir vor Ort bleiben möchte, wie viele wir weiter oben im Gebirge in Ushguli verbringen möchten und wie wir das exakt mit der Rückfahrt machen. Das alles zu besprechen klappt mit vollem Magen deutlich besser.
Die Marschrutkafahrer drehen ihre Schilder in den Windschutzscheiben um und warten auf die Fahrgäste, die die Tour in die entgegengesetzte Richtung antreten möchten. Unser weinrotes WunderFeuerwerk der Technik ist auch dabei.
Nach dem Essen haben wir nun auch eine etwas genauere Vorstellung dessen, was wir wie die nächsten Tage machen möchten.
Das Pensum für heute hält sich in Grenzen. Nachdem wir ein Hotel beziehen, steht ein Ausflug zum Chalaadi-Gletscher auf dem Programm. Anschließend möchten wir noch einen ersten intensiveren Eindruck von Mestia erhalten, morgen soll's dann direkt weiter nach Ushguli gehen.
Beim Hotel haben wir uns tatsächlich für das erstbeste günstige mit guten Bewertungen entschieden, das in der Nähe ist. Es ist ab morgen voll ausgebucht, bietet uns nur eine Übernachtung, werden wir erfahren. Das passt aber gut zu unserem Plan des schnellen Weiterreisens. Das Hotel ist zwei Gehminuten von unserem Frühstückscafé entfernt. Irgendwie will es modern und alpin wirken, auf eine komische, unvollendete Art. Das Hotel hat offensichtlich den Schwerpunkt auf die winterlichen Skifahrer gelegt, ist sehr einfach und schlicht gehalten. Die Rigips-Decke im Bad kommt runter und wir haben ein Fenster im Zimmer, zu dem man in den Flur herausschauen kann. Natürlich funktioniert das auch andersherum, aber zum Glück gehört ein Vorhang zur Ausstattung.
Ausflug zum Chalaadi-Gletscher
Der Startpunkt der zwei- bis dreistündigen Wanderung zum Gletscher liegt etwa neun Kilometer vom Ortskern Mestias entfernt. Zusammen mit dem Weg dorthin und wieder zurück, der sich wegen des flachen Höhenprofils problemlos zu Fuß gehen ließe, könnte man eine schöne Tageswanderung daraus machen.
Da nun aber schon früher Nachmittag ist und wir den Gedanken an eifriges Laufen gerade nicht sehr attraktiv finden, entscheiden wir uns dazu abzukürzen. Entweder durch das Mieten von Mountainbikes oder ganz unaufgeregt durch eine Taxifahrt. Touristisch wie diese Ecke ist, nimmt sich preislich beides nichts.
Wir treffen auf einen sympathischen Taxifahrer, der sich herzlich darüber freut, uns zum Gletscher zu transportieren. Er wartet dann zwei bis drei Stunden auf uns und fährt uns zurück. Unterwegs überholen wir immer mal wieder Wanderer, die sich vorbildlicherweise für die "ehrliche" Variante entschieden haben.
Der Weg ist staubig. Umso positiver fällt uns auf, dass unser Taxifahrer tatsächlich Rücksicht auf die Wanderer nimmt und nicht, wie die meisten anderen, an ihnen vorbeibrettert. Nettes Kerlchen - schön wenn sich der erste Eindruck bewahrheitet.
Die Autofahrt endet an einer wackligen Hängebrücke und führt schließlich durch ein Waldstück. Der unwegsame Waldwanderweg ist nicht wirklich anspruchsvoll, aber auch nichts für Wanderer mit Gehhilfen, denken wir. Genau solche sehen wir hier zuhauf schaufend durchs Gestrüpp humpeln.
Eine Dreiviertelstunde später befinden wir uns am Fuße des Gletschers. Ein langes, schmales Tag führt den Blick direkt zum Eismassiv. Das Tag wird vom Fluss Mestiachala durchschnitten. Die Landschaft ist größtenteils karg, es liegt viel Geröll herum. Das Grau des Gerölls, das Grün der Landschaft drumherum und das intensive Blau des Himmels ergänzen sich wunderbar. Außerdem ist es warm! Ein schönes Örtchen, das zum Verweilen einlädt.
Wir treffen knapp zweieinhalb Stunden später wieder auf unseren Taxifahrer, der uns bis an den Ortsrand Mestias. Wir verzichten auf das Stück weiter bis zum Zentrum, denn wir möchten das Örtchen doch noch ein wenig zu Fuß erkunden. Natürlich mit kurzen Zwischenstopp in einem gemütlichen Biergarten, der "zufällig" auf dem Weg liegt.
Die morgige Fahrt mit der Marschrutka nach Ushguli sichern wir uns quasi im Vorbeilaufen auf dem Weg ins Hotel.
Erster Eindruck von Mestia
Mestia fühlt sich deutlich größer und touristischer an als Kazbegi. Tatsächlich wirkt es ein wenig organisierter und auch gemütlicher, selbst wenn man versucht sich nicht vom freundlichen Wetter blenden zu lassen.
Mestia befindet sich in einem Skigebiet mit mehreren Liftanlagen. Augenscheinlich ist hier auch im Winter eine Menge los. Außerdem gibt es einen Flughafen, der von Regionalfliegern angeflogen wird, die kaum größer als eine Marschrutka sind. Tatsächlich hatten wir schon von Deutschland aus versucht, dieses Erlebnis zu buchen: Von Tbilissi nach Mestia und eventuell wieder zurück. Die Tickets - im übrigen sehr günstig auch im Vergleich zur Marschrutka - sind aber verständlicherweise schon Monate im Voraus ausverkauft.
In der näheren Umgebung kann man sich gut die Zeit mit Tageswanderungen vertreiben. Die heben wir uns dann unter Vorbehalt für die Zeit nach unserer Rückkehr aus Ushguli auf.
Das Stadtbild Mestias wird von Swanetischen Wehrtürme dominiert. Fast jedes ältere Haus besitzt einen derartigen Anbau. Viele der neu errichteten Häuser wirken noch unfertig und generell fällt auf, dass hier eine Menge in Bewegung ist. Zumindest diese Region scheint von den Geldströmen durch die Touristen zu profitieren.
Der Stadtkern ist urig und gemütlich. Wir machen es uns zunächst auf einer Dachterrasse gemütlich. Von dort aus hat man einen fantastischen Blick über das Örtchen. Zwecks Internet entscheiden wir uns dazu, weiterzuziehen. Fast in jedem Restaurant wird um diese Uhrzeit traditionelle georgische Volksmusik gespielt. Dominant ist hier der Männergesang - meist vier Männer singen mal ein- mal mehrstimmig kraftvoll-rhythmische Tanzmusik.
Wir finden Gefallen daran, lauschen hier und da an den Restaurants und kehren schließlich wieder in unser heutiges Frühstückscafé ein. Manch ein Hund versucht noch die Essensreste der Touristen zu erbetteln. Häufig gelingt es den gutmütigen und treu schauenden Freunden dann tatsächlich auch. Nun ist es aber Zeit, ins Hotel zurückzukehren. Die Unterkunft für Ushguli müssen wir noch vorbuchen und möchten nicht allzu spät aufstehen.