Heute reisen wir ab, verlassen Ushguli und spekulieren darauf, einen guten Deal bei einer der Marschrutkas zu machen. Besenrein wird das spartanische Zimmer verlassen und wir bewegen uns in Richtung Café, wo es Kaffee geben soll. Die Kamera bleibt heute die meiste Zeit im Rucksack.
Zwei Männer vom Nachbartisch sprechen uns auf englisch an, ebenfalls Touristen. Ob wir auch nach Mestia fahren wollten, fragen sie. Wir antworten und ich fühle mich ertappt. Ob ich Pole sei, fragt mich der eine. Weil mein Akzent im Englischen danach klinge. Ich stimme bedingt zu, leicht irritiert. Obwohl ich denke ein Gespür für Akzente und Dialekte zu haben, ist mir das selbst nie aufgefallen. Aber als die Jungs mittleren Alters erfahren, dass wir Deutsche sind, kann's gern auch auf deutsch weitergehen. Sie kommen aus Ungarn und der eine arbeitet in Wien, das erklärt sein gutes Deutsch.
Fest entschlossen einen guten Preis auszuhandeln, gehen wir zu den Fahrern an der Brücke, nachdem wir unseren Kaffee ausgetrunken haben. Für 30 Lari pro Person sind wir nach Ushguli hochgekommen. Die Fahrer verlangen allerdings 40 Lari für die Rückfahrt. Wir sind im Glauben im Vorteil zu sein. Zu viert füllen wir ein Auto. Der Ungar mit gutem deutsch ist ziemlich gut im Verhandeln. Ich bewundere ein wenig seine Geduld und Hartnäckigkeit, auf die Fahrer einzureden. Wir haben uns vorgenommen, wieder 30 auszuhandeln. Ein polnisches Pärchen kommt auf uns zu, will sich anschließen. Jetzt füllen wir sogar einen Siebensitzer. Dem Pärchen wurde offensichtlich angeboten, zu zweit für 40 pro Kopf nach Mestia mitgenommen zu werden. Also 80 für das Auto. Unser Angebot, nun zu sechst für 30 pro Kopf mitzufahren, lässt die Fahrer unbeeindruckt. Sie sehen Dollarzeichen. Statt 80 Lari winken nun 180 Lari. Nicht so hier. Unser unermüdlicher Ungar versucht diese einfache Rechnung noch einfacher aufzuschlüsseln, als sie eigentlich schon ist. 6 mal 30 macht 180. 2 mal 40 macht 80. Wir beharren darauf, würden sogar eine Wartezeit in Kauf nehmen bis die Busse aus Mestia kommen. Verhandeln ist hier beschwerlich, sie fordern weiterhin 40 pro Kopf.
Wir besprechen uns kurz, sind uns auf deutsch, polnisch, ungarisch und englisch einig, dass wir für 40 nicht mitfahren. Nicht unter diesen für die Fahrer komfortablen Bedingungen. Letztlich heißt es: "40 is minimum price. I take you for 35.". Rational geht's hier nicht zu, obwohl die Fahrer mit einer Fuhre mehr als die georgische monatliche Durchschnittsrente verdienen. Es wird mit hohen Spritpreisen argumentiert. Dass zwei von uns für insgesamt 80 mitgenommen worden wären, bei sonst leerem Auto, scheint hier nicht ins Gewicht zu fallen. Trotzdem, 35 ist in der Mitte getroffen. Wir geben uns zufrieden. Man möchte aber Vorkasse sehen. Ich entgegne dem Ungarn, dass wir erst zahlen, wenn das Gepäck vollständig ist und wir am richtigen Ort angekommen sind. Es wird im Nachhinein bezahlt.
Was auch immer das mit der Vorkasse sollte, letzten Endes werden wir uns einig. Keine Vorkasse, 35 pro Kopf, ab nach Mestia. Es wird ein Ersatzrad in unseren Kofferraum geladen, das Gepäck kommt auf's Dach, wird festgebunden mit einer dünnen Kordel. Die Fahrt ist spannend. Wir unterhalten uns über verschiedene Wanderausflüge in unterschiedlichen Ländern. Die Polen geben den Ungarn Tipps für die Tatra, erzählen von ihren Reisen an den Balaton und nach Budapest und von ihrer Wanderung von Mestia nach Ushguli. Sonst stehen noch die Eigenheiten der jeweiligen Sprachen auf dem Programm, die Tatsache, dass wir alle mit derselben ungarischen Airline geflogen sind, und noch mehr.
In Mestia mit vollständigem Gepäck angekommen trennen sich unsere Wege. Wir verabschieden uns mit dem Hinweis, nicht die rote Marschrutka aus dem Kaukasus heraus zu nehmen. Teresa und ich frühstücken im Lilecafé und suchen uns eine nette Unterkunft. Es soll die bislang modernste werden.
Bummeln in Mestia
Unsere Gastgeberin Aza begrüßt und sehr herzlich trotz unseres spontanen Aufkreuzens. Sie freut sich über unseren Besuch, braucht aber noch ein wenig Zeit um das Zimmer aufzuräumen. Die deutschen Gäste sind erst abgereist und sie hat etwas herumgebummelt, weil sie mit keinen neuen Gästen gerechnet hat. Sie mag deutsche Gäste. Ihr Englisch ist hervorragend und sie hat auch eine gewisse Beziehung zu Deutschland. Sie lebte nämlich zeitweise in Hamburg.
Wir machen es uns derweil bei Tee und WLAN im "Wohnzimmer" der Unterkunft gemütlich. Heute steht tatsächlich nicht viel auf dem Plan. Wir wollen uns ein wenig in der Stadt umschauen und zu den Wehrtürmen gehen. Außerdem müssen wir noch ein wenig Geld eintauschen. Es gibt allerdings ein kleines Problem: Es ist Sonntag, die Wechselstuben sind geschlossen und wir müssen uns mit dem schlechteren Wechselkurs unserer Bank begnügen.
Obwohl wir kaum etwas unternehmen, kommt der Abend recht schnell näher. Wir entscheiden uns gegen 18 Uhr dazu, die Trattoria aufzusuchen. Dort gibt es ab 19 Uhr Livemusik.
Der Service ist unterirdisch, von der Karte kann kaum etwas bestellt werden. Ständig kommt die unmotivierte Kellnerin zurück und eröffnet uns, dass wir uns doch umentscheiden sollen. Wir beobachten wie Gäste kommen und bald darauf wieder gehen ohne etwas bestellt zu haben. Der Musikus spielt bereits auf seiner elektrischen Gitarre Rockklassiker. Eigentlich ist es ganz angenehm, wäre da der Service etwas motivierter. Und gäbe es das, was auf der Karte steht.
Ich habe mir Ojakhuri, ein Kartoffelgericht mit Spiegelei und Hähnchen, bestellt. Teresa probiert die Hähnchen-Tomatensuppe. Beides nicht so der Hit. Wir belassen es dabei und bei zwei Gläsern Wein.
Die üblichen 10 Prozent Service waren bereits auf der Speisekarte vermerkt. Auf der Rechnung stehen nun 15 Prozent. Im Nachhinein werden wir uns noch ärgern, dass wir das haben mit uns machen lassen. Manchmal macht man so komische Dinge eben. Passiert uns nicht noch einmal und wiederkommen werden wir natürlich auch nicht.
Wir ziehen weiter, wollen uns den Abend nicht vermiesen lassen und probieren es im Café Laila. Dort wird traditionelle georgische Livemusik gespielt. Der Laden ist voll, es sieht touristisch aus, aber doch irgendwie nett eingerichtet und gemütlich. Uns wird ein Platz im Inneren zugewiesen. Und siehe da: Die Preise sind erstaunlich niedrig. Hier fühlen wir uns ehrlich behandelt. Auch der Service ist merklich besser, professioneller, freundlicher. Wir freuen uns darüber, dass wir es doch hierher gewagt haben, denn wir fühlen uns wohl. Ich schaffe es ein wenig zu schreiben. Gemeinsam planen wir den morgigen Tag. Sonst haben wir tatsächlich nur gebummelt.