Es ist Pfingstsonntag. An diesem zweiten Tag auf Korsika reizt es uns, die Umgebung von Bastia kennenzulernen. Genauer: Die Oberdörfer, für die wir uns eine wandertaugliche Route zusammengebastelt haben. 700 Höhenmeter, natürlich jeweils auf- und abwärts, auf knapp 15 Kilometer verteilt. Sollte zu schaffen sein.
Wanderung durch die Oberdörfer
Es mag heute nicht so recht aufziehen. Es ist bedeckt und unwahrscheinlich schwül. Das stärkende "petit déjeuner" eine Mischung aus Kontinentalfrühstück und lokalem Feingeschmack. Teresa haben es besonders die Brioches angetan. Sie findet auch Geschmack am Kastanienbrotaufstrich, den ich mir auf das Croissant geschmiert habe. Sehr lecker und sehr korsisch. Kastanienprodukte sind hier omnipräsent, aber dazu vielleicht ein anderes Mal.
Gestärkt und mit viel Wasser an Bord müssen wir gar nicht weit gehen, um auf die Zufahrtsstraße in Richtung des Dörfchens "Pietrabugno" zu gelangen. Die Straßen sind eng und gewunden. Für Fußgängerwege ist wenig Platz. Ständig wechseln wir die Straßenseite und links und rechts entlang der Mauern im steilen Gelände wachsen Kakteen und Sukkulenten. Die wenigen Leute, die uns entgegenkommen - meist ältere Menschen mit oder ohne Gehhilfe - grüßen freundlich, als sie uns schwer beladen und bereits gut durchgeschwitzt die Straße langtapsen sehen. Alles eine Sache der Übung.
Je höher man kommt, desto interessanter der Ausblick. Auf die unter uns liegenden terrassenartig angeordneten Wohngebäude, auf den Stadtkern Bastias und den Hafen im Hintergrund.
Wir machen Pause in einem schönen öffentlichen Garten. Im Garten eines Privathauses nebenan ist eine weiße Tafel hergerichtet. Auch hier wissen wir nicht, ob es mit Hochzeit oder Pfingsten zu tun hat. Greifvögel kreisen auf unserer Augenhöhe auf der Suche nach Beute.
Auf der anderen Straßenseite überholt uns ein sehr fitter Endsechziger. Er macht einen lässigen Handgruß, während er uns davonläuft. Die Hälfte der Höhenmeter haben wir schon. Die stärkste Steigung kommt noch.
Pietrabugnos "Wahrzeichen" ist die in weiten Teilen Bastias sichtbare Kirche. Von Bastia aus sieht der Ort aus, als könnte es da keine Straße hingeben. Unterhalb der Kirche ein malerischer Friedhof. Jedes Grab ist ein kleines Häuschen mit Kreuz drauf. Eine alte Dame ist mit Grabpflege beschäftigt.
Je höher wir kommen, desto weniger scheinen offensichtliche Touristen erwartet zu werden. Man scheint ein wenig erstaunt über unsere Anwesenheit zu sein. Und doch grüßen die Menschen freundlich zurück. Das mit dem Grüßen ist wirklich sympatisch: Fast ausnahmslos alle Fußgänger grüßen außerhalb der Großstadt mit einem freundlichen "Bonjour!". Egal ob in Gespräch vertieft oder nicht.
Wir verlassen Pietrabugno. Nun beginnt der Offroad-Teil: Quer durch den Wald einen Wanderweg entlang. Er beginnt als mit Mauern begrenzter steingepflasterter Weg. Hier begegnen wir unserem Speedy Gonzalez. Er scheint schon auf dem Rückweg zu sein und wir führen ein kurzes nettes Gespräch. Das nur mit Schulfranzösisch. Schon allein dafür hat es sich ausgezahlt. Er gibt uns ein paar Tipps, fragt wo wir hin möchten und lässt von sich erzählen: Dass er täglich 10-15 Kilometer zurücklege.
Es beginnt ein verwunschener Wald. Der Weg ist wie aus einem Märchen. Er beginnt an einer alten Quelle, die in einer kleinen Höhle im Hang liegt. Darin ist eine Krippe mit Spielzeugfiguren. Als es steiler wird und die Pausen häufiger, ähnelt der Wanderweg eher einem (wortwörtlich!) Tunnel aus Gestrüpp. Am Ende eine Lichtung mit einem kleinen Steinhäuschen und einem vor sich herrottendem Pickup. Wir sind am höchsten Punkt unserer Wanderung angekommen.
Abwärts dann haben wir Probleme auf dem geplanten Weg zu bleiben. Wir staksen durch Farngewächse, die höher sind als wir. Und überqueren kleine Bächlein. Letztlich verschaffen wir uns Zugang zu einem Gelände, das zu einem Wasserwerk gehören könnte. Die Straßen sind halb so schmal wie normale, aber trotzdem gibt es eine Mittellinie. Unbefugt scheinen wir hier nicht zu sein - zumindest der fehlenden Reaktion der Dame nach zu urteilen, die gerade eine Hecke schneidet.
Langsam nähern wir uns dem Örtchen San-Martinu-di-Lota. Canale haben wir wegen unseres Navigationsproblems leider verpasst. Umso faszninierter sind wir aber von der Ruhe, die von dem Ort ausgeht. Auch hier wieder ein verlassenes Hotel, eine malerisch höher abgesetzte Kirche und ein Olivenbaum mit zwei Bänken darunter. Dazu ein herrlicher Blick über das Tal.
Wir haben wieder Navigationsprobleme, als es weiter abwärts geht. Nichts passt mehr: Die eingezeichneten Wege sind nicht zu finden, die Wegführung ergibt keinen Sinn. Teresa findet einen Schleichweg, der zu unserem Wanderpfad zurückführt. Der Weg zieht sich in die Länge. Erst durch Wald, dann durch die Macchia. Eine dichte Gestrüpplandschaft, in der auch viele Kräuter beheimatet sind. Der warme Wind aus dem Tal bläst uns den Geruch von mildem Kräutertee in die Nase.
Am Ende des Weges schließlich ein kleines Steinhäuschen. Darin ein Steinofen. Er leitet unsere Wiederkehr in die Zivilisation ein. Einige hundert Meter weiter stehen wir auf der Hauptdurchfahrtstraße entlang der Ostküste und Cap Corse.
Hier ist eine Brücke. Auf der einen Seite ein kleines stehendes Gewässer. Auf der anderen ein Steinstrand. Teresa gönnt sich eine Erfrischung im Meer. Ich schaue mich um und rette mich vor der brütenden Hitze.
Unterwegs machen wir noch eine kleine Strandbar aus. Nett gelegen, frisch eröffnet und eine schattige Abwechslung. Wenn man wollte, könnte man hier ein 15cl-Bier bestellen.