Ab heute sind wir motorisiert unterwegs. Der Weg soll uns nach Calvi am nordwestlichen Ende Korsikas führen. Bastia befindet sich im Nordosten. Eigentlich eine etwa 2-stündige Reise. Wir entscheiden uns aber für einen Umweg über das Cap Corse, das auch "Corse en miniature" - Miniaturkorsika - genannt wird. Die Halbinsel nördlich von Bastia wird gerne mal ausgelassen, soll aber ein gutes Stimmungsbild der Insel vermitteln. Das lassen wir uns nicht entgehen.
Der erste Gang auf dem Weg zum Frühstück führt uns aber zuerst zur Rezeption. Wir bitten um Bestellung eines Taxis zum Flughafen für 7:30h. Gestern schon haben wir uns kundig gemacht. Online waren Preise von 20 bis 50 Euro auszumachen - je nach Uhrzeit. Teilweise Aussagen zu etwa 70 Euro. Gestern dann der Schock, als auch die Rezeptionistin meinte, es müssten um die 70 Euro werden. Leider haben wir keine zufriedenstellende Alternative, denn was wir nicht bedacht haben: Zur geplanten Abholung des Autos um 8:00h fliegt montags nichts. Dementsprechend fährt auch keine Navette, der Shuttlebus.
Ich verstehe außer dem Wort "voiture" und 7:30h nichts von dem, was der Rezeptionist in sein Telefon nuschelt. Ein gutes Frühstück später dann rollt die bestellte Voiture ein. Festpreis will er nicht machen, er ließe den "Compteur" laufen. Na gut. Aber 70-75 Euro schätzt er.
Das kleine Taxidrama
Wir nehmen uns vor, nicht den "Compteur" zu beobachten. Gelassen rollen wir aus der Stadt heraus. Den langen Berg runter zur Hauptdurchfahrtstraße am Vieux Port vorbei. Unser Fahrer ist schnell und aufmerksam genug um das Fenster zu schließen, wenn er die Schallgrenze durchbricht. Die liegt auf Korsika bei 80 km/h und wird so gut wie nirgends erreicht. Hier schon. Immer wieder tauchen wir durch Tunnel unter querenden Straßen hindurch. Der Étang de Biguglia, ein großes Naturschutzgebiet mit einem Süßwassersee wird sichtbar. Ich traue mich doch auf den Compteur zu schauen. Und bereue es gleich wieder. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Dass der Fahrer einige waghalsige Manöver unternimmt, so als würden wir unseren Flieger auf den letzten Drücker bekommen müssen. Oder, dass der Compteur im Sekundentakt und 10-Cent-Schritten bedrohlich nahe des ausgemachten Ziels von 70 Euro ist, ohne, dass man den Flughafen überhaupt sehen kann. Im Kreisverkehr die dritte Ausfahrt, dann ein Stück geradeaus. Das rote Compteurdisplay zeigt 70 Euro, wir sind auf dem Flughafengelände. Ich dachte schon, er hätte ausgeschaltet. Aber er ist nur so langsam, dass ich beim Zählen aus dem Rhythmus gelangt bin. Auf Englisch erwähne ich, dass wir zur Ankunftshalle wollen, zu der Autovermietung. Letztlich stehen 71,20 Euro auf der Zählmaschine. "Soixante-dix, c'est bon", sagt er und rundet auf 70 ab. Vor drei Kilometern sah alles so aus, als würden wir die 100 mit aller Sicherheit knacken.
Willkommen, kleine Knutschkugel
Seelenruhig ist es am Flughafen. Der Montagsverkehr steht noch bevor. Es erwartet uns eine nette Mitarbeiterin von der Autovermietung. Sie weiß zu schätzen, dass wir's auf Französisch probieren und antwortet geduldig, freundlich und verständlich. Ich gönne mir den kleinen Auffrischungskurs.
Sie zeigt auf ein Foto hinter sich. Ob wir "den da" haben wollen. Mit "den da" meint sie den Fiat 500 in der Cabrioversion. Ohne Aufpreis, einfach weil wir die ersten sind und es uns aussuchen können. Natürlich willigen wir ein. Ich hatte bereits nach Cabrios gesucht. Aber die waren alle deutlich im vierstelligen Bereich.
Nun gut, Cabrioknutschkugel gemustert: Taufrisch, schadenfrei, unter 2000 km gelaufen. Zurück auf die Straße, die wir vor einer halben Stunde noch in die andere Richtung genommen haben. Nun aber deutlich günstiger auf den Kilometer gerechnet.
Die Ostküste nordwärts...
Es fühlt sich merkwürdig an hier selbst zu fahren. Ich kann mir irgendwie kein vernünftiges Tempo suchen. Jeder fährt unterschiedlich schnell. 80 sind erlaubt. Und dann die interessante Verkehrsführung: Die Fahrstreifen spalten sich in unregelmäßigen Abständen auf. Einer davon führt durch einen Tunnel, der andere kreuzt wohl die Querstraße. Sie werden aber immer wieder zusammengeführt.
Wir passieren den alten Hafen, dann den Fährhafen, anschließend den Yachthafen, an dem direkt der Strand "Ort am Meer" angrenzt. Ganz schön viele Häfen, fällt nun auf. Einige Kurven weiter dann der kleine Strand, der Teresa die Abkühlung verschafft hat. Ab jetzt befahren wir unbekanntes Terrain.
Wir kommen äußerst langsam vorwärts. Langsamer als gedacht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei ca. 30-40 km/h. Immer wieder bremsen Geschwindigkeitsbegrenzer den Verkehr aus. Die vielen Kurven erlauben ohnehin kein schnelles Vorwärtskommen. Die Motorradfahrer drängeln ein wenig. Die Korsen auch. Sie kennen die Route aus dem FF. Touristen erkennt man am gemütlichen Fahrstil. Am Straßenrand immer wieder Haltebuchten. Je weiter wir aus Bastia herausfahren, desto beeindruckender wird die Landschaft. Die Haltebuchten nutzen wir mit den anderen Touristen für kleine Zwischenstopps. Gleich beim ersten Zwischenstopp öffnen wir das Verdeck. Es ist bedeckt aber warm. Perfektes Cabriowetter für uns noch winterblasse Nordeuropäer.
... und an der Westküste wieder zurück
50 Kilometer liegen hinter uns. Die Zwischenstopps werden immer häufiger. Bei jedem Autostart fängt unsere vorbereitete Playlist an zu spielen: Viel Französisches, einiges im Café-del-Mar-Stil und ein paar Ohrwürmer: "Santa Maria" und Konsorten! Leider kann man das Cap Corse nicht komplett umfahren. An einem Punkt müssen wir schließlich ins Inland abbiegen. Steile Steigungen, schmale Straßen und malerische Dörfer. "Ersa" steht auf den Wegweisern. In einem Dörfchen machen wir kurz halt. Hier hat man eine super Aussicht auf die Ost- und Nordküste. Man sieht die vor dem nördlichsten Zipfel Korsikas vorgelagerte Insel Giraglia mit ihrem charakteristischen Leuchtturm und Genueserturm.
Dann kommen wir an einer alten Windmühle vorbei, an der "Moulin Mattei". Etwas überraschend in der Landschaft, aber einen Zwischenstopp absolut wert. Direkt an der Straße zwei Genuesertürme. Dieser Punkt markiert unseren Wendepunkt und damit auch Beginn unseres Abstiegs entlang der Westküste des Cap Corse.
Das Meer ist deutlich aufgewühlter als im Osten, die Landschaft schroffer. Einige Serpentinen vor uns sehen wir bunte Oldtimer-Cabrios die enge Küstenstraße langfahren. Einer unserer Stopps befindet sich in einem Örtchen namens Pino. Historisch anmutende Häuser sind in den steilen Hang gebaut. Ein sakrales Gebäude sticht aus dem grünen Dickicht hervor. Es könnte sich um einen Friedhof handeln. Einige Meter weiter ragt ein Kirchturm aus den Bäumen.
Immer wieder lohnt sich ein Blick zurück. So entdeckt man auch mal einen bei der Vorbeifahrt verborgenen Strand inklusive kleinem Hafen. Unser Blick trifft den Strand von Giottani. Die Küstenstraße ist hoch abgesetzt über dem Meeresspiegel. Zu den Stränden führen teils kleine Straßen, teils nur unbefestigte Wege steil herunter.
Es lohnt sich aber auch mal der Blick die Böschung hinab. Während wir in Deutschland vermüllte Straßenränder gewohnt sind, liegt hier - ganz typisch für Frankreich - ein einzelnes Baguette. Generell ist uns schon aufgefallen, wie sauber es hier überall ist. Keine vermüllten Straßen- und Wegesränder, keine Hinterlassenschaften in den Büschen. Außer dieses ganze Baguette.
Ein malerisches Örtchen nach dem anderen wird von uns durchfahren. Landzunge für Landzunge immer spektakulärere Blicke auf die Küste. Der Soundtrack schmiegt sich passend an die vorbeirauschenden Eindrücke. "Nonza" ist in jedem Reiseführer zu finden. Ein altes Bergdorf, mit dessen Anblick wir uns mangels Parkmöglichkeit leider nur beim Durchfahren begnügen müssen.
Einige Kilometer sind es noch bis St. Florent. Unmittelbar vor dem Ort, in einer Art von Bergen eingekesselten Ebene, dominiert die Landwirtschaft. Rechterhand liegt die Ribella-Brauerei samt Besucherzentrum. Das Bier haben wir schon in Bastia getrunken. Zumindest das IPA, so schlossen wir vom Geschmack her. Auf den nächsten Kreisverkehr zufahrend, sehen wir graue Rauchschwaden. Beim Vorbeifahren hören wir es durch's offene Verdeck hindurch knistern. Die "Pompiers" stehen daneben. Ob beabsichtigter oder unbeabsichtigter Brand ist nicht klar. Da das Feuer aber bis an den Fahrbahnrand reicht, denken wir an letzteres.
Würde man von dort eine gerade Linie von St. Florent nach Bastia ziehen, hätte man das Cap Corse abgeschnitten. Dementsprechend verlassen wir nun nach dem kurzen Vorgeschmack in absoluter Vorfreude auf das was uns erwartet "Corse en miniature". Anstelle von etwa 30 Kilometern hat unsere Knutschkugel nun knapp 100 Kilometer mehr auf dem Buckel. Sie schlägt sich tapfer.