Die Sonne brennt bereits. Der warme Wind auf der Haut lässt den Schweiß gleich wieder trocknen. Wir begehen immer wieder denselben strategischen Fehler, unsere Wanderungen in Nähe der Mittagszeit durchzuführen. Also in dem Zeitfenster zwischen 10 und 17 Uhr. Heute ist so ein Wandertag. Kurz vor 10 steigen wir an dem Parkplatz der Halbinsel "La Revellata" aus unserer Knutschkugel. Die Küstenstraße nach Porto und Ajaccio führt durch den Parkplatz, trotzdem ist recht wenig los.
Der Abstieg
Einige steile Serpentinen lassen uns schon erahnen, dass am Ende der Wanderung nochmal alles von uns gefordert wird. Der Parkplatz liegt hoch über dem Meeresspiegel. Ein beleibter älterer Mann kommt uns mit Fotosausrüstung entgegen. Der muss wohl zum Sonnenaufgang hier gewesen sein. Für uns hat es nicht ganz gereicht. Der erste Abschnitt nach den Serpentinen ist der deutlich grünste. Es geht durch hüft- bis körpergroße Büsche und Getreide. Der Blick auf die malerische Bucht vor uns treibt uns an. Dort liegen ein paar Boote vor Anker. Das Wasser ist cyanblau, der Weg dahin sandig und steinig. Ein Zaun grenzt das letzte Stück Weg von der Landschaft ab.
An der Bucht schließlich liegt die Ruine eines alten Steinhauses. Man kann es vollständig begehen. Durch das Fenster präsentiert sich ein kleines Sportboot. Der Schatten ist eine mehr als willkommene Abwechslung zu der gleißenden Hitze. Unsere Körper bekommen wieder Gelegenheit dazu, Normaltemperatur anzunehmen.
Wir blicken voraus in unsere Marschrichtung. Der Weg ist hier flach und einfach, schlängelt sich ein paar seichte Steigungen längs die Halbinsel hinauf. Dort stehen auch einige vereinzelte Häuser. Ein ungewöhnlicher Ort in einem Naturschutzgebiet, zumal die Zufahrt diesseitig der Halbinsel mit Auto nicht möglich ist.
Der Aufstieg
Vier Kilometer sollen es in eine Richtung sein. Bislang ist das Terrain auch sehr gutmütig. Wir verbringen aber viel Zeit mit kurzen Stopps, um in die Ferne zu schauen. Das heißt, mit den knapp anderthalb anvisierten Stunden in eine Richtung werden wir sehr sicher nicht auskommen. Der Leuchtturm an der Spitze der Halbinsel ist noch in sehr weiter Ferne. Die Gutmütigkeit hält aber auch nicht sehr lange an. Im Zickzack führt der Weg immer näher zur Halbinselmitte, weg von den Küstenabschnitten. Wir drosseln unser Tempo, während der warme Wind uns immer stärker entgegenbläst. Der "warme" Wind ist immer noch frisch genug, um die starke Hitze nicht mitzubekommen.
Es folgt ein mehrfaches Auf- und Ab. Auf die Abs kann man sich gar nicht freuen, weil natürlicherweise auch ein Auf folgen muss. Allgemein scheint es aber eine vorhersehbar mittelschwere Wanderung zu werden. Eher mittel als schwer, denn der Weg ist so halb befestigt, die Steigungen nie unangenehm steil. Der Leuchtturm wird hinter jeder Kurve ein Stückchen größer. Rechterhand am Wasser - mittlerweile wieder weit unter uns - sieht man die ozeanografische Forschungsstation. Ein braungebrannter Mittvierziger überholt uns im Laufschritt. Oberkörperfrei, kleiner Wasserrucksack auf dem Rücken. Der macht das nicht zum ersten Mal. Dementsprechend trainiert schaut sein Körper aus. Generell sind die Menschen auf Korsika im Schnitt deutlich sportlicher unterwegs, und zwar altersunabhängig. Das ist uns schon in Bastia aufgefallen, wird aber auch bei solchen Einzelbegegnungen deutlich. Während wir gemütlichen Schrittes ins Schnaufen geraten, laufen sie uns einfach davon.
Dann geht alles recht schnell. Nur noch eine kleine Steigung und wir stehen direkt unterm Leuchtturm. Der Weg führt unterhalb des Leuchtturms bis zum hintersten Zipfel. Es sind gerade Fensterreiniger am Arbeiten. Sie rufen sich laut zu. Wir verschnaufen ein wenig und nutzen die Zeit für einen Rundumblick. Unterwegs sah man nur vereinzelt Menschen, hier staut es sich dann ein wenig.
Der Rückweg
Wieder an der Forschungsstation vorbei, schlagen wir diesmal den zentraleren Weg über den Bergkamm ein. Immer wieder schlägt uns der warme Wind entgegen. Stellenweise herrscht Windstille. An den sehr wenigen Stellen, an denen ein Busch oder eine Trafostation Schatten spendet, pausieren Menschen. Wir haben gerade ein sehr gutes Lauftempo. Der Rückweg ist weniger hügelig. Es ist mehr ein Ab, als ein Auf. Während der Leuchtturm in unserem Rücken wieder Blick für Blick kleiner wird, und schließlich hinter den Hügeln verschwindet, glitzern uns die Autos auf dem Parkplatz hoch über uns an. Wir stellen uns an den Wegesrand. Man blickt einen steilen Abhang herab bis zur Küste. Um einen Blick zu wagen, müssen wir unsere Mützen festhalten. Der subtile Geruch von mildem Kräutertee schlägt uns aus Richtung Meer entgegen. Mit gefühlter Windstärke zehn schlägt er uns ins Gesicht, sodass man kaum atmen kann. Die Flora hat sich der Windrichtung angepasst. Alles wächst in parallelen Streifen zur Windrichtung.
Wir werfen einen letzten Blick auf den Kamm der Halbinsel, um anschließend die anfänglichen Serpentinen Höhenmeter für Höhenmeter zu besiegen. Um uns herum Familien mit kleinen Kindern. Teilweise mit der Kopfbedeckung nur in der Hand. Die Eltern wimmeln die Fragen nach der Entfernung zum Auto ab. Die meisten hier sind Deutsche.